Dokumentation GIS

Kartengrundlage des GIS – die Dufourkarte

Die heute gebräuchlichen kartografischen Datensätze von swisstopo (Topographisches Landschaftsmodell TLM, digitale Landeskarten) lassen sich nicht befriedigend auf historische Zeiträume anwenden, da sich die naturräumlichen Verhältnisse (Seen, Wälder, Flüsse usw.) und die bebauten Areale (Siedlungen, Strassen usw.) stark verändert haben. Als Hauptgrundlage des GIS verwenden wir daher die Dufourkarten. Die Dufourkarte zeigt als erstes auf wissenschaftlicher Triangulation beruhendes, das ganze Gebiet der Schweiz abdeckendes Kartenwerk im Massstab 1:100’000 ein dichtes Weg- und Strassennetz. Die ersten Ausgaben der Blätter erschienen in den Jahren 1842 bis 1865. Blatt VII Porrentruy Solothurn erschien 1887 in einer zweiten Auflage. Um die Jahrhundertwende wurden die Blätter ein- bis dreimal überarbeitet respektive nachgetragen. Ausnahmen sind das Titelblatt und das letzte Blatt, von denen weiterhin nur die erste Ausgabe zirkulierte (Blatt I 1855, Blatt XXV 1862). Unsere Rekonstruktion der helvetischen Strassennetze basiert auf den in den Jahren 1898 bis 1904 publizierten Ausgaben der Blätter, um so an die im Folgenden erwähnten Projekte anschliessen zu können, in welchen wir die Weg- und Strassennetze über einen längeren Zeitraum von 1750 bis 1910 erforscht hatten. Das in den verwendeten Blättern der Dufourkarte aufgenommene Weg- und Strassennetz, die Flüsse und Kanäle oder die Ausdehnungen der Siedlungen entsprechen damit dem Stand in den Jahren unmittelbar vor deren Publikation um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Wir verwenden die schon im SNF-Projekt «Transformationsphasen der Schweizer Verkehrsentwicklung, 1750–1910»[1] in den Jahren 2001 bis 2003 entwickelte und im SNF-Projekt «GIS-Dufour»[2] in den Jahren 2004 bis 2008 bewährte Grundlage. Die beiden Dufourkarten waren von der GIS-Fachstelle des Kantons Zug in zwei Schritten georeferenziert und nach Massgabe der damals aktuellen Kartengrundlagen von swisstopo transformiert worden, damit sie einerseits mit aktuellen Kartendaten und andererseits mit den anderen Ausgaben der Dufourkarten möglichst kompatibel sind. In einem ersten Schritt wurden dazu die einzelnen Kartenblätter nach Eckpunkten georeferenziert, so dass die Ränder der einzelnen Blätter übereinstimmen. In einem zweiten, weit komplexeren Arbeitsschritt wurden die Blätter auch einer inneren Entzerrung unterzogen, um eine optimale Kompatibilität mit Vektor 25 zu erreichen. Dabei bildeten auf der Dufour- und der Landeskarte identische Triangulationspunkte, Kirchenstandorte oder Kreuzungen die Referenzpunkte.

Zur Identifikation der helvetischen Strassenlinien auf der Dufourkarte dienten die im Projekt transkribierten helvetischen Verwaltungsquellen, verschiedene ältere Kartenwerke, die teilweise ebenfalls in den Beständen des Zentralarchivs der Helvetischen Republik im Bundesarchiv überliefert sind, und das GIS des Inventars historischer Verkehrswege der Schweiz IVS.[3]

Die helvetischen Gebietsstände

Ab Mitte 1798 bis und mit 1802 bestand die Helvetische Republik aus folgenden Kantonen:

Aargau, Baden, Basel, Bellinzona, Bern, Freiburg, Léman, Linth, Lugano, Luzern, Oberland, Rätien (zeitweise), Schaffhausen, Säntis, Solothurn, Thurgau, Wallis, Waldstätten und Zürich.

Nichthelvetische Territorien auf dem Gebiet der Schweiz (von 1815) waren: Genf, das Département du Mont-Terrible (Jura, ab 1800 Teil des Département Haut-Rhin), die Principauté de Neuchâtel, Rhätien (zeitweise) und das Fricktal.

Unser Ziel konnte es im laufenden Projekt nicht sein, die helvetischen Gebietsstände in jedem Detail genau zu rekonstruieren. Wir beschränkten uns darauf, eine Kartengrundlage für das GIS zu schaffen, auf der sich die Ergebnisse der Strassenenquête in der notwendigen Genauigkeit abbilden lassen. Und doch liegt nun unserer Meinung nach eine Rekonstruktion der helvetischen Gebietsstände vor, welche die bisherigen an Genauigkeit übertrifft.

Wichtige Hilfsmittel zur Klärung der Gebietsstände

Mallet, Henri. Carte de Suisse suivant sa nouvelle division en XVIII Cantons formant la République Helvétique, 1798; diese Karte ist für die Westschweiz genauer als für die Ostschweiz.

Scheuermann, Johann Jakob. Helvetische Republik eingetheilt in Cantone und Districte, [Zürich 1799]; diese Karte zeigt nur sehr ungefähre Gebietsstände.

Helvetische Aufteilungsdokumente des Jahres 1798 aus den ASHR; diese wurden nicht selten noch revidiert; diese Fälle sind in den Kantonsdossiers dokumentiert.[4]

  • Provisorische Eintheilung des Cantons Bern in Districte, 21. April 1798.[5]
  • Provisorische Eintheilung des Cantons Basel in Districte, 28. April 1798.[6]
  • Districts-Eintheilung des Cantons Zürich, 14. Mai 1798.[7]
  • Eintheilung des Cantons Schaffhausen, 15. Mai 1798.[8]
  • Districts-Eintheilung des Cantons Solothurn, 15. Mai 1798.[9]
  • Eintheilung des Cantons Baden, 17. Mai 1798.[10]
  • Eintheilung des Cantons Thurgau, 23. Mai 1798.[11]
  • Eintheilung des Cantons Luzern, 26. Mai 1798.[12]
  • Eintheilung des Cantons Fribourg, 30. Mai 1798.[13]
  • Districts-Eintheilung des Cantons Linth, 4. Juni 1798.[14]
  • Districts-Eintheilung des Cantons Leman, 17. Juni 1798.[15]
  • District-Eintheilung des Cantons Oberland, 19. Juni 1798.[16]
  • Districtseintheilung des Cantons Wallis, 26. Juni 1798.[17]
  • Districts-Eintheilung des Cantons Waldstätten, 2. Juli 1798.[18]
  • District-Eintheilung des Cantons Sentis, 4. Juli 1798.[19]

Liste der helvetischen Kantone, Distrikte und Gemeinden. Die Liste entstand in der Division III «Génie, Ponts et Chaussées» des Kriegsministeriums und diente dort offensichtlich dazu, in ungewissen Fällen schnell nachschlagen zu können. Sie basiert im Wesentlichen auf den erwähnten Aufteilungsdokumenten.[20]

Stapfer-Enquête, Zuordnung der Schulgemeinden zu den Kantonen als Antwort auf die Frage I.1.e. über die Lokalverhältnisse.[21]

Verschiedene Regionalstudien, die jeweils in den Kantonsdossiers verwiesen werden.

Historisches Lexikon der Schweiz, Artikel zu den Gemeinden.

Karten von Marco Zanoli; sie lassen auf Sachkenntnis schliessen, verweisen aber keine Quellen.[22]

Prinzipien der Aufnahme der Gebietsstände im GIS

Prioritär folgen wir den Grenzen der Topographischen Karte der Schweiz, der sogenannten Dufourkarte (Ausgaben der Blätter 1898–1904). Sie bildet die wichtigste historische Kartengrundlage des GIS.

Wo die helvetischen Kantonsgrenzen nicht mit den auf der Dufourkarte (Ausgaben der Blätter 1898–1904) gezeigten Grenzen übereinstimmen, aber späteren Bezirks- oder Gemeindegrenzen folgen, übernehmen wir die jeweiligen Grenzen des topographischen Landschaftsmodells «TLM Hoheitsgrenzen» von swisstopo (Stand 2015).

Wo die helvetischen Grenzen offensichtlich entlang von Bergkämmen verliefen, weichen wir von den Grenzen des Landschaftsmodells «TLM Hoheitsgrenzen» ab und folgen dem Relief der Dufourkarte.

Wo das TLM wegen späteren Gemeindefusionen keine Grenzlinien enthält oder wo die Gemeindegrenzen inzwischen geändert worden sind, ist die erste Auflage des Topographischen Atlas der Schweiz, der sogenannten Siegfriedkarte die Referenz, die erstmals konsequent die Gemeindegrenzen dokumentiert. Dieses Kartenwerk in Massstäben von 1:25’000 und von 1:50’000 beruht noch auf den sogenannten Messtischblättern der Dufourkarte.

Bei Ausnahmen rekonstruieren wir die Grenzen anhand von schriftlichen oder topographischen Quellen. Eine grosse Hilfe war es, dass uns in Problemfällen Prof. Dr. Martin Schuler die diesbezüglichen Informationen der helvetischen Bevölkerungserhebungen zur Verfügung stellte, die er zeitgleich mit unserem Projekt aufarbeitete.

Wo die Grenzen entlang von später meliorierten Flüssen und Bächen verlaufen, sind die im GIS vektorisierten Verläufe bezogen auf die Gebietsstände der Helvetischen Republik sehr ungewiss. Das trifft beispielsweise auf die Aare im Mittelland, auf den Rhein, die Reuss, die Thur oder die Saane zu.

Die Identifizierung und die Rekonstruktion der Linien

Die Verläufe der in den Quellen der helvetischen Strassenenquête überlieferten Strassen und Wege wurden auf der nachgeführten Dufourkarte (Ausgaben der Blätter 1898–1904) rekonstruiert. Die Rekonstruktion der Linienführungen beruht auf den Angaben der helvetischen Quellen selbst, die teilweise eine dichte Reihe von Streckenorten nennen, auf der Analyse von Karten und weiteren schriftlichen Quellen sowie auf Resultaten historisch-geografischer Projekte, so namentlich auf:

  1. Atlas Suisse, 1796–1802,
  2. Nouvelle Carte Hydrographique et Routière de la Suisse von Johann Heinrich Weiss, 1799,
  3. Carte des principales Routes de la Suisse, 1801,
  4. Atlas de la Suisse, 1821/1822 (nicht zu verwechseln mit dem Atlas Suisse),
  5. Kellers Reisekarten, verschiedene Auflagen, 1813–,
  6. Woerls Karte der Schweiz, 1835/1836,
  7. Distanzenkarte von der Schweiz von R. Huber [ca. 1830],
  8. Detailkarten a) aus dem Quellenfundus , b) Karten aus anderen Archiven und Beständen,
  9. Vorarbeiten zur Dufourkarte (sogenannte Messtischblätter),
  10. erste Ausgaben der Dufourkarte, 1845–1864,
  11. Topographischer Atlas, sogenannte Siegfriedkarte (mehrere Ausgaben von 1870 bis 1926),
  12. Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, IVS,
  13. SNF-Projekt GIS-Dufour.[23]

Die vollständigen bibliografischen Angaben finden sich im allgemeinen Kartenverzeichnis und im Kartenverzeichnis der Bestände der Division III «Génie, Ponts et Chaussées» des Bundesarchivs.

Bei Rekonstruktionen, die auf zeitlich nach den Jahren 1798 bis 1803 erschienenen Karten beruhen, war nachzuweisen, dass die gezeigte Situation in der Zwischenzeit keine Veränderung erfahren hatte, keine neue Strasse auf neuer Linienführung gebaut, kein neuer Brückenstandort etabliert wurde. Dazu bieten das Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz IVS sowie die Ergebnisse der SNF-Projekte «GIS-Dufour» und «strassendaten.ch»[24] die Grundlagen. Für die in den Strassengesetzen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfassten Strassen 1. und 2. Klasse stützen wir uns direkt auf die Ergebnisse des GIS-Dufour-Projekts.

Bezüglich der kartographischen Rekonstruktion der in der helvetischen Strassenenquête nachgewiesenen Strassen und Wege werden unter dem Arbeitsbegriff GeoNachweis drei Grade der Sicherheit unterschieden (1. Linienführung, 2. Strecke. 3. Verbindung), mit der sie als einen in der Dufourkarte gezeigten Verlauf identifiziert werden können:

  1. Linienführung: der alte Verlauf entspricht dem auf der Dufourkarte identifizierten Verlauf (siehe folgender Kommentar).
  2. Strecke: der alte Verlauf bewegte sich in der räumlichen Nähe der auf der Dufourkarte gezeigten Linie.
  3. Verbindung: der alte Verlauf befand sich in der Region der gezeigten Linienführung.

Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, was die Kartografie im Massstab 1:100’000, dem Massstab der Dufourkarte, zu leisten im Stande ist. 1 Millimeter auf der Karte entspricht 100 Metern im Gelände. Die Breite der Signatur eines Fusswegs auf der Dufourkarte entspricht im Gelände der Breite einer heutigen Autobahn (beide Richtungen). Die Signatur einer «Poststrasse erster Classe» würde im Gelände einem Band in der Breite von drei Autobahnen nebeneinander entsprechen. Wenn demnach ein alter Weg des 18. Jahrhunderts im Rahmen des Kunststrassenbaus der 1830er-Jahre durch eine in dessen unmittelbarer Nähe führende neue Kunststrasse ersetzt und diese wiederum in den 1930er-Jahren zur Automobilstrasse ausgebaut wurde, liegen die Linienführungen aufgrund der massstabbedingten Generalisierungen immer noch übereinander. Wenn wir in solchen Fällen eine 1=Linienführung vergeben haben, verweisen wir auf die Problematik in der GIS-Datenbank mit der Bemerkung «Ungefährer Verlauf im Bereich des nachfolgenden Kunststrassenbaus».



[1] Frey, Thomas; Schiedt, Hans-Ulrich. Transformationsphasen der Schweizer Verkehrsentwicklung 1750–1910. Strukturen und Prozesse verkehrlicher Beschleunigung», Zürich, Bern 2001–2003.

[2] Egli, Hans-Rudolf; Flury, Philipp; Frey, Thomas; Schiedt, Hans-Ulrich. GIS-Dufour, Aufbau und Implementierung eines Vektor-25-kompatiblen geographischen Informationssystems für die Verkehrs- und Raumforschung auf historischer Grundlage, Geographisches Institut und ViaStoria, Universität Bern 2008.

[3] ViaStoria. IVS Dokumentationen, Bern 2003.

[4] Für den Kanton Aargau liegt kein expliziter provisorischer Einteilungsentscheid des Direktoriums vor. Seine Entstehung war schon am 16. März 1798 durch die provisorische Nationalversammlung beschlossen worden: ASHR 1, Nr. 1723–1748, 508–519.

[5] ASHR 1, Nr. 30, 671–673.

[6] ASHR 1, Nr. 58, 779.

[7] ASHR 1, Nr. 130, 1092–1098.

[8] ASHR 1, Nr. 133, 1104–1105.

[9] ASHR 1, Nr. 134, 1106–1107.

[10] ASHR 1, Nr. 142, 1137–1140.

[11] ASHR 1, Nr 154, 1161–1163.

[12] ASHR 1, Nr. 162, 1174–1176.

[13] ASHR 1, Nr. 174, 1196–1199.

[14] ASHR 2, Nr. 11, 95–96.

[15] ASHR 2, Nr. 47, 248–252.

[16] ASHR 2, Nr. 53, 279–281.

[17] ASHR 2, Nr. 66, 329–331.

[18] ASHR 2, Nr. 81, 471–472.

[19] ASHR 2, Nr. 88, 489–494.

[20] CH-BAR#B0#1000/1483#3168-04#1, fol. 211-227.

[23] Egli, Hans-Rudolf; Flury, Philipp; Frey, Thomas; Schiedt, Hans-Ulrich. GIS-Dufour, Aufbau und Implementierung eines Vektor-25-kompatiblen geographischen Informationssystems für die Verkehrs- und Raumforschung auf historischer Grundlage, Geographisches Institut und ViaStoria, Universität Bern 2007.

[24] Frey, Thomas; Schiedt, Hans-Ulrich. strassendaten.ch – Datenbank zur historischen Strassen- und Strassenverkehrsstatistik, vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanziertes Projekt.